Bewertung einer Medizinpraxis – zwischen Zahlen, Potenzial und Realität
Wenn Sie Ihre Praxis verkaufen möchten, steht früher oder später eine zentrale Frage im Raum: Was ist meine Praxis wert? Und auch die Käuferschaft fragt sich, welchen Preis sie für eine gut laufende medizinische Unternehmung bezahlen soll.
Die Antwort liegt zwischen betriebswirtschaftlicher Logik, Marktnachfrage – und Bauchgefühl.
Der Praxiswert als Orientierung – nicht als fixer Preis
Eine Praxisbewertung ist die Grundlage für die Kaufpreisverhandlungen. Sie zeigt auf, welchen Wert eine Praxis unter normalen Marktbedingungen haben könnte. Doch der daraus abgeleitete Betrag ist kein feststehender Preis. Entscheidend bleibt die Nachfrage: In Regionen mit vielen Interessentinnen und Interessenten können Preise über dem Schätzwert liegen – in strukturschwachen Gebieten hingegen deutlich darunter.
FMH- und SSO-Methoden: bewährt, aber mit Grenzen
In der Schweiz haben sich insbesondere die Bewertungsverfahren der FMH und der SSO etabliert. Diese Methoden kombinieren den materiellen Substanzwert (Zeitwert von Einrichtung, Geräten, Infrastruktur, Vorräten) mit einem immateriellen Wert, dem sogenannten Goodwill.
Der Goodwill – also der ideelle Mehrwert einer bestehenden Praxis – macht oft einen erheblichen Anteil am Gesamtwert aus. Er berücksichtigt das, was über die reine Ausstattung hinausgeht: den Ruf, ein eingespieltes Team, treue Patientinnen und Patienten, eingespielte Abläufe und einen bekannten Standort (Mietvertrag).
Diese Verbandslösungen sind transparent und praxiserprobt. Sie bilden den Marktwert realistisch ab, stossen aber dort an ihre Grenzen, wo es um die (zukünftige) Wirtschaftlichkeit geht. Denn Faktoren wie Kostenstruktur, Gewinnpotenzial oder Verlustrisiken werden darin nur indirekt abgebildet.
Der wahre Wert liegt in der Zukunft
Aus unserer Sicht spiegelt der wahre Praxiswert weniger den Ist-Zustand als vielmehr das zukünftige Gewinnpotenzial wider. Wie entwickelt sich die Praxis nach der Übergabe? Wie stabil ist der Patientenstamm? Bleibt das Team an Bord? Bestehen langfristige Mietverträge? Und wie gut lässt sich das vorhandene Potenzial nutzen?
Diese Fragen bestimmen, ob eine Praxis nicht nur heute erfolgreich ist, sondern es auch morgen bleibt. Entsprechend ist der zukünftige Cashflow – also die Ertragskraft nach der Übernahme – für Käuferinnen und Käufer entscheidend.
Darstellung der zukünftigen Ergebnisse
Vielfach wird zur Bewertung der zukünftigen Ergebnisse/des zukünftigen Cash-Flows eine sogenannte Planbuchhaltung erstellt. Dabei wird auf Basis der bisherigen Zahlen das Zukunftskonzept für die Nachfolge in Zahlenform abgebildet – auch als Bestandteil des Businessplans.
Diese Planbuchhaltung zeigt die erwarteten Investitionen, Umsätze, Aufwendungen und Ergebnisse der Praxis in den kommenden Jahren. Sie berücksichtigt die geplanten Dienstleistungen, die künftige Behandlerstruktur sowie zu erwartende Kosten nach der Übernahme. So entstehen realistische Plan-Ergebnisse, welche zeigen, ob der zukünftige «Betrieb» (nebst dem Lohn für die Nachfolgerin/den Nachfolger) genügend Ertrag erzielt, um die Zinsen und Darlehensamortisationen zu finanzieren, welche für den Praxiserwerb und deren Zusatzinvestitionen aufgenommen werden mussten.
Die Planbuchhaltung dient damit als entscheidende Grundlage, um die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Praxisübernahme zu beurteilen. Diesen Aspekt sollten beide Parteien zur Kaufpreisbestimmung mitberücksichtigen.
Unsicherheiten und Stabilität als Schlüsselfaktoren
Natürlich sind Prognosen zur zukünftigen Gewinnentwicklung immer mit Unsicherheiten behaftet. Tarifänderungen, Personalfragen oder Standortentwicklungen können den Erfolg beeinflussen.
Deshalb ist es wichtig, Stabilität zu schaffen:
- Festigen Sie den Patientenstamm mit klarer Kommunikation und frühzeitiger Übergangsplanung.
- Sichern Sie die Teambindung, um Know-how und Kontinuität zu erhalten.
- Gestalten Sie Miet- und Vertragsbedingungen langfristig, um Planungssicherheit zu schaffen.
Diese Massnahmen reduzieren Risiken und erhöhen das Vertrauen der Käuferseite – und damit auch den realisierbaren Kaufpreis.
Fazit: Praxisbewertung als Dialog, nicht als Zahlenspiel
Eine Praxisbewertung ist kein mathematisches Urteil, sondern eine fundierte Orientierungshilfe. Sie zeigt den Rahmen, innerhalb dessen sich ein fairer Preis finden lässt.
Am Ende entscheidet jedoch nicht nur das Rechenmodell, sondern die Kombination aus Zukunftspotenzial, Marktinteresse und das Vertrauen zwischen den Parteien.
Denn eine Praxis ist mehr als ein Betrieb – sie ist ein gewachsenes Vertrauensverhältnis zwischen Menschen. Und dieses lässt sich nur bedingt in Zahlen ausdrücken.
Planen Sie den Kauf oder Verkauf einer Praxis und beschäftigen sich mit dem Wert der Praxis? Dann nehmen Sie mit uns Kontakt auf. Wir helfen Ihnen, den Wert zu berechnen und so die Grundlage für eine erfolgreiche Übernahme oder Übergabe zu schaffen.